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Widerrufsrecht – Wie Sie unerwarteten Vertragsrücktritten vorbeugen

von | 29. Jul. 2020

Der plötzliche Widerruf von Architekten- oder Ingenieurverträgen

Sie haben mit Bauherren gute Gespräche geführt, Planungsleistungen und Kostenermittlungen erbracht und vielleicht sogar schon einen Vertrag unterschrieben. Doch plötzlich teilt Ihnen der Bauherr mit, der Vertrag sei unwirksam und er trete davon zurück. Sie könnten Ihre Leistungen „in den Wind schreiben“ und hätten keinen Honoraranspruch oder nur einen sehr geringen. Diese Fälle gibt es nicht? Doch die gibt es. Gefahr droht Ihnen aus zwei Richtungen.

1. Außerhalb von Geschäftsräumen geschlossene Verträge

Die größte Gefahr lauert aus dem „Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechte-Richtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ vom 20.09.2013. Dort ist unter anderem geregelt, dass Verträge besonderen Schutz genießen, die außerhalb Ihrer Geschäftsräume geschlossen werden. Wenn Sie also zum Beispiel beim Bauherrn über den Vertrag reden, hat der Verbraucher ein Widerrufsrecht. Sie müssen den privaten Bauherrn darüber aufklären, dass er den Planungs- und/oder Bauüberwachungsvertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen kann. Tun Sie das nicht, kann er binnen eines Jahres und 14 Tagen vom Vertrag zurücktreten. Alle Leistungen, die Sie in der Zeit erbracht haben, waren umsonst. Sie bekommen dafür kein Honorar.

Die Rechtsprechung hat dieses für Sie ungünstige Szenario in zwei Fällen bestätigt, zuletzt war es gar der Europäische Gerichtshof.

Verbraucherschutzgesetz greift auch bei Architektenverträgen (EuGH, Urteil vom 14.05.2020, Rs. C-208/19):

Im konkreten Fall hatte der Verbraucher seinen Rücktritt mit der angeblich schlechten Qualität der gelieferten Pläne begründet und erklärt, der Architekt habe ihn außerdem nicht ordnungsgemäß über sein gesetzliches Rücktrittsrecht aufgeklärt. Der Architekt wiederum hatte bestritten, dass der Vertrag überhaupt dem Verbraucherschutzgesetz unterliege. Begründet hatte er dies mit zwei Argumenten: Architektenverträge mit Verbrauchern unterlägen anderen Regulierungen, nämlich solchen zur Herstellung von Gebäuden. Außerdem seien die Architektenpläne keine gewöhnlichen Waren sondern solchen, die „nach Kundenspezifikation angefertigt“ werden und „eindeutig auf die persönlichen Bedürfnisse zugeschnitten“ seien. Und bei diesen sei jegliches Widerrufsrecht ausgeschlossen.

In beiden Kernfragen wies der EuGH die Annahmen des Architekten zurück: Geschuldet sei mit dem Abschluss des Architektenvertrages eben nur „die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses und in diesem Zusammenhang die Herstellung von Plänen“. Es handle sich eben um „keinen Vertrag über den Bau eines neuen Gebäudes“ und deshalb gelten die konkurrierenden Regelungen nicht. Ebenso wenig sei die Planung eines neu zu errichtenden Einfamilienhauses nach Vorgaben und Wünschen des Bauherrn ein „Vertrag über die Lieferung von Waren, die nach Kundenspezifikation angefertigt“ werden. Und deshalb komme auch kein Ausschluss jeglichen Widerrufsrechts bei Architektenverträgen mit privaten Bauherrn in Frage.

Widerrufserklärung nach zehn Monaten (OLG Stuttgart, Urteil vom 17.07.2018, Az. 10 U 143/17):

Im zweiten Fall war ein Architekt von einem Privatmann beim Abendessen im Hause einer späteren Zeugin mit der Erbringung von Planungsleistungen für ein Neubauvorhaben beauftragt worden. Am folgenden Tag bestätigte der Auftraggeber gegenüber dem Architekten nochmals die Auftragserteilung auf einer Autofahrt zum Baugrundstück. Der Architekt führte in der Folgezeit diverse Planungsleistungen durch. Rund zehn Monate nach der Auftragserteilung teilte der Auftraggeber dem Architekten plötzlich schriftlich mit, dass niemals ein wirksamer Vertrag zustande gekommen sei. Der Architekt machte gerichtlich das Honorar für die erbrachten Leistungen geltend und verlor. Das OLG Stuttgart kam zum Ergebnis, dass der Auftraggeber als Verbraucher einen eventuell bestehenden Vertrag auf jeden Fall wirksam widerrufen hat. Der Vertrag war außerhalb der Geschäftsräume des Architekten geschlossen worden (Abendessen bei Zeugin; Bestätigung auf Autofahrt), sodass dem Auftraggeber das Verbraucher-Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB zustand.

Weil der Architekt seinen Auftraggeber nicht über sein Widerrufsrecht belehrt hatte, kam nicht die 14-tägige Widerrufsfrist (§ 355 Abs. 2 S. 1 BGB) zum Tragen. Das Widerrufsrecht erlosch erst zwölf Monate und 14 Tage nach Vertragsabschluss (§ 356 Abs. 3 S. 3 BGB). Diese Frist war zum Zeitpunkt des Schreibens, dass nach Auffassung des Auftraggebers niemals ein Vertrag wirksam zustande gekommen sei, noch nicht abgelaufen. Das Schreiben wertete das Gericht als Widerrufserklärung. Damit lag kein wirksames Vertragsverhältnis vor.

Folge: Belehren Sie private Auftraggeber im Zweifel immer über das Widerrufsrecht. Lassen Sie sich bestätigen, dass der Auftraggeber die Belehrung erhalten hat. Dann muss er den Vertrag innerhalb von 14 Tagen widerrufen.

2. Überraschende Kündigung nach der „Zielfindungsphase“

Das zweite „Überraschungskündigungs-Risiko“ ergibt sich aus dem neuen BGB-Werkvertragsrecht 2018 und dort aus den § 650p BGB „Vertragstypische Pflichten aus Architekten- und Ingenieurverträgen“ und § 650r BGB „Sonderkündigungsrecht“. § 650p Abs.2 enthält die sogenannte Zielfindungsphase: „Soweit wesentliche Planungs- und Überwachungsziele noch nicht vereinbart sind, hat der Unternehmer zunächst eine Planungsgrundlage zur Ermittlung dieser Ziele zu erstellen. Er legt dem Besteller die Planungsgrundlage zusammen mit einer Kosteneinschätzung für das Vorhaben zur Zustimmung vor.“

Ein solcher Zielfindungsvertrag soll in der Projektanlaufphase geschlossen werden, wenn der Auftraggeber erst vage Vorstellungen von seinem Bauvorhaben hat, also z. B. nur den Gebäudezweck und sonst nichts festgelegt hat. Der Gesetzgeber wollte Auftraggeber, insbesondere Verbraucher, vor übereilten Abschlüssen von Vollarchitekturverträgen schützen. Geschützt werden sollten auch Auftraggeber, die zunächst eine Baukosteneinschätzung benötigen, um über die weitere Vorgehensweise entscheiden zu können. Deshalb gibt es eben auch das Sonderkündigungsrecht am Ende des Zielfindungsvertrags. § 650r Abs. 1 BGB lautet: „Nach Vorlage von Unterlagen gemäß § 650p Absatz 2 kann der Besteller den Vertrag kündigen. Das Kündigungsrecht erlischt zwei Wochen nach Vorlage der Unterlagen, bei einem Verbraucher jedoch nur dann, wenn der Unternehmer ihn bei der Vorlage der Unterlagen in Textform über das Kündigungsrecht, die Frist, in der es ausgeübt werden kann, und die Rechtsfolgen der Kündigung unterrichtet hat.“

Ein Zielfindungsvertrag ist nur dann angezeigt, wenn „wesentliche Planungs- und Überwachungsziele“ noch nicht vereinbart sind. Wann ist das der Fall? Nach dem Verständnis des Gesetzgebers schon dann, wenn etwa „die Art des Daches, die Zahl der Geschosse oder ähnliche für die Planung grundlegende Fragen“ offen sind. Dieses Verständnis ist zu weitgehend, es wird sich in der Praxis wahrscheinlich nicht durchsetzen. Denn es ist die Regel, dass Fragen wie die Art des Dachs zu Beginn der Gebäudeplanung noch ungeklärt sind und erst im Verlauf des Planungsprozesses beantwortet werden.

Für Klarheit sorgen, um Streitfälle und Vertragsrücktritte zu vermeiden

Für Sie besteht aber die Gefahr, dass Gerichte in künftigen Streitfällen dem zu weiten Verständnis des Gesetzgebers folgen. Dann würden viele „normale“ Architekten- und Ingenieurverträge überraschend als Zielfindungsverträge eingeordnet, für die (auch nach umfangreichen Planungsleistungen noch) ein Sonderkündigungsrecht besteht. Die Rechtsfolge der Sonderkündigung ist für Sie als Architekt oder Ingenieur ungünstiger als eine freie Vertragskündigung des Auftraggebers. Bei der Sonderkündigung werden nicht erbrachte Leistungen nämlich nicht vergütet. Was also tun? Sorgen Sie für Klarheit, dass die Zielfindungsphase jetzt beendet ist und Ihr Auftraggeber entscheiden kann, ob er vom Sonderkündigungsrecht Gebrauch macht oder ob der Vertrag mit Ihnen in einen „normalen“ Architekten- bzw. Ingenieurvertrag übergeht. Konkret:

  • Wenn Sie Ihrem Auftraggeber die Planungsgrundlage nebst Kosteneinschätzung übergeben, können Sie das mit folgendem Schreiben tun: „Sehr geehrte Damen und Herren, wir nehmen Bezug auf den am …2018 geschlossenen Vertrag. Anliegend erhalten Sie unsere Planungsgrundlage nebst Kosteneinschätzung. Wir bitten Sie um Ihre Zustimmung bis zum [angemessene Frist einfügen, z. B. zwei Wochen]. Vorsorglich weisen wir darauf hin, dass wir den Vertrag gemäß § 650r Abs. 2 S. 2 BGB kündigen können, wenn Sie die Zustimmung verweigern oder innerhalb der vorgenannten Frist keine Erklärung zu den Unterlagen abgeben.“
  • Ist der Auftraggeber ein Verbraucher, ist eine Belehrung zu ergänzen, z. B.: „Wir weisen Sie zudem darauf hin, dass Ihnen gemäß § 650r Abs. 1 BGB ein Sonderkündigungsrecht zusteht, das Sie binnen einer Frist von zwei Wochen ab dem Zugang dieses Schreibens ausüben können. Die Kündigung erfolgt durch Erklärung uns gegenüber und bedarf keiner Begründung. Im Fall der Kündigung müssen Sie nur die bis zur Kündigung erbrachten Leistungen vergüten (§ 650r Abs. 3 BGB).“ Um den „sicheren Weg“ zu gehen, sollte (in Anlehnung an die Anforderungen an eine Widerrufsbelehrung) noch der folgende Satz ergänzt werden: „Für die Wahrung der Frist genügt die rechtzeitige Absendung der Kündigungserklärung.“

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