Eigene Ideen verwirklichen oder ein etabliertes Architekturbüro übernehmen? Alles selbst neu aufbauen und entscheiden oder lieber funktionierende Strukturen weiterentwickeln? Wer sich als Ingenieur oder Planerin selbständig machen will, hat hierfür vielfältige Möglichkeiten, denn immer mehr Architektur- und Ingenieurbüros stehen demnächst zum Verkauf oder suchen junge Planer, die als Gesellschafter mit einsteigen. „Übernahme oder Neugründung?“ lautet somit eine der ersten Fragen auf dem Weg in die Selbständigkeit.
Gründung eines eigenen Planungsbüros
Viele Nachwuchskräfte reizt die Aussicht, unter eigenem Namen ein neues Planungsbüro zu gründen. Der vermeintlich klassische Weg ist steiniger, als viele zunächst denken, denn viele Themen müssen vorab bedacht, entschieden und vorbereitet werden: Wie wollen Sie sich und Ihre Leistungen im Markt positionieren? Welche Rechtsform ist die richtige, welche Versicherungen sind nötig, welche Anmeldungen zu tätigen? Sie benötigen einen Finanz- und idealerweise auch einen Businessplan, um die zentralen Fragen „warum“ und „wie“ beantworten zu können – und potenzielle Kunden zu überzeugen.
Chancen der Bürogründung:
- Eigene Ideen verwirklichen und „sich einen Namen machen“
- Ingenieur-/Architekturbüro nach eigenen Vorstellungen aufbauen – von der Geschäftsidee bis zur Corporate Identity
- Anfangsinvestitionen meist niedriger (kein hoher Kaufpreis)
- Langsames Reinwachsen in Führungsposition möglich
Risiken der Bürogründung:
- Lange Durststrecke: In der Regel dauert es mehrere Jahre, bis das eigene Planungsbüro wirklich erfolgreich läuft
- Schwierigkeiten bei der Finanzierung: Mäßige Bonität wegen fehlender Vorgeschichte
- Vielen Gründern mangelt es an betriebswirtschaftlichen Kenntnissen
- Risiko der Überlastung (vor allem in eh schon stressiger Lebensphase – Familiengründung, Hausbau etc.)
Übernahme eines Architektur- oder Ingenieurbüros
Demnächst gehen die Baby-Boomer in Rente und mit ihnen steuern auch viele Inhaber von Planungsbüros auf den Ruhestand zu. Die meisten wollen ihr Lebenswerk gern in fähige Hände weitergeben und sind auf der Suche nach übernahmewilligen Architekten und Ingenieuren. Jede Menge Chancen also für angehende Selbständige. Doch aufgepasst: Mehr Sicherheit als eine Neugründung bietet die Übernahme nur dann, wenn Sie die Risiken im Griff haben.
Beide Seiten sollten sich vorab möglichst sachlich ihre wichtigsten Anforderungen notieren. Dazu gehören nicht nur für finanzielle oder formelle Aspekte wie Kaufpreis, Umsatzzahlen oder der künftige Büroname. Am Ende sollten sie auch zu einem gemeinsamen Verständnis über die Ziele, das Vorgehen und den zeitlichen Rahmen des Integrationsprozesses gelangen.
Findet ein abrupter Wechsel statt, leidet darunter oft das Büro, das sich bis dahin eigentlich auf gutem Kurs befand. Umgekehrt ist es auch problematisch, wenn der bisherige Inhaber emotional stark an das Planungsbüro gebunden ist und noch lange „mitmischt“. Bremst er den Übernehmenden aus, wenn dieser neue Wege einschlagen will, verschenkt das Büro Chancen durch Neuerungen. Auch Mitarbeitern und Kunden ist dann unklar, wohin die Reise geht, und beim Nachfolger wächst der Frust.
Chancen einer Übernahme:
- Direkt durchstarten: Umsätze von Anfang an, dank vorhandenem Kundenstamm und etablierter Marke
- Bestehende Infrastruktur, etablierte Arbeitsprozesse
- Übernahme guten Personals (= Fachexpertise)
- Einarbeitung und Unterstützung durch den Vorgänger möglich
- Verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten (z.B. Zahlung des Kaufpreises in Raten)
Risiken einer Übernahme:
- Starke Prägung des Unternehmens durch den Vorgänger
- Erfolg des Büros oft stark von der Leistung des Inhabers abhängig
- Ungenügende Informationen über finanzielle Aussichten des Büros / Zu hoher Kaufpreis
- Wenn Mitarbeiter und Kunden in Übernahmeprozess nicht einbezogen werden, droht Vertrauensverlust
- Übernahme verschiedener Problemfelder möglich (z.B. unzufriedene Mitarbeiter, veraltete Hard- und Software, „schwierige“ Projekte, vorhandene Verbindlichkeiten)
- Ungeklärte Urheber- und Namensrechte
Übernahme / Übergabe richtig organisieren
Junge Planer können bei einer Büroübernahme von einem bestehenden Kundennetzwerk und etablierten Arbeitsprozessen profitieren. Doch worauf müssen sie achten, damit der Wechsel nachhaltig erfolgreich ist?
Architekten und Ingenieure unterschätzen oft die Komplexität einer Büroübergabe. Hier hilft es, möglichst strukturiert an das Thema heranzugehen und sich an guten Checklisten (z.B. der IHK oder des BMWi) zu orientieren. Bezüglich der zahlreichen rechtlichen, finanziellen und steuerlichen Fragen empfiehlt sich eine professionelle Beratung. Erste Anlaufstelle sind hier die Berufskammern oder spezialisierte Unternehmensberater, für deren Beratung Existenzgründer meist hohe Zuschüsse erhalten können.
Für den Erfolg jeder Nachfolgelösung ist entscheidend, ob der Umsatz auch nach der Übernahme stabil bleibt. Mitarbeiterbindung und Kundenbeziehungen sollten möglichst wenig unter dem Wechsel leiden, weshalb ausreichend Zeit, eine gute Planung und Einarbeitung wichtig sind. Idealerweise wird der neue Eigentümer über einen längeren Zeitraum in das Unternehmen eingeführt und kann sich das Vertrauen der Angestellten und Auftraggeber erarbeiten, bevor der Altinhaber „von Bord“ geht. Wann und wie dieser sich aus dem Arbeitsalltag und geschäftlichen Entscheidungen zurückzieht, sollte dennoch frühzeitig geklärt sein.
Gründung oder Übernahme? Haftungsrisiken beachten
Mitglieder der Architekten- und Ingenieurkammern benötigen eine Berufshaftpflichtversicherung, sobald sie sich selbständig machen. Dies gilt für Neugründer selbst dann, wenn sie noch keine Aufträge haben und erst in der Akquisephase sind, denn selbst hier lauern bereits Haftungsrisiken.
Bei der Übernahme eines Ingenieur- oder Architekturbüros empfiehlt es sich, die alte Berufshaftpflichtversicherung zu beenden und einen neuen Vertrag abzuschließen, um eine klare Trennung zu schaffen. Wird nämlich der Altvertrag fortgeführt, kann die spätere Meldung eines Schadens, den der Vorgänger zu verantworten hat, zu höheren Versicherungsbeiträgen für den Nachfolger führen.
Mitunter kann jedoch eine zeitnahe Kündigung schwierig sein, etwa weil das Büro mitten in einem größeren Projekt steckt und sich die Leistungsphasen nicht sauber trennen lassen. In diesem Fall sollten alter und neuer Eigentümer eine Vereinbarung für den Fall der Fälle treffen. Darüber hinaus ist es sinnvoll, ein Beratungsgespräch mit einem auf Architekten und Ingenieure spezialisierten Fachmakler zu führen, um Haftungsfragen und den künftigen Versicherungsschutz zu klären.