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Ästhetik in der Architektur – zu Unrecht vernachlässigt

von | 6. Feb. 2019

Funktionalität und Nachhaltigkeit sind in der Architektur schon lange große Schlagwörter. Zu kurz kommt in dieser Hinsicht die Ästhetik. Gerade sie wird von verschiedenen Architekten jedoch als besonders wichtig erachtet – sowohl für die Lebensqualität als auch für eine nachhaltige Bauweise.

Bezahlbarkeit und Funktionalität

In der Architekturgeschichte findet sich eine große Kluft zwischen alten und modernen Gebäuden, die insbesondere im kriegsgeschädigten Deutschland zu beobachten ist, wo Neubauten neben immer noch erhaltenen Gebäuden vergangener Jahrhunderte stehen. Zwar wird gern behauptet, dass Schönheit im Auge des Betrachters liegt, ganz so einfach ist das allerdings nicht. Denn auch beim ästhetischen Empfinden gibt es je nach Kultur einen gemeinsamen Nenner. Beispielsweise werden ältere Gebäude im Vergleich zur Nachkriegsarchitektur überwiegend als schöner angesehen.

In vergangenen Jahrzehnten war der wichtigste Anspruch an die Architektur, funktional und bezahlbar zu sein. Die Schönheit hat dabei eine untergeordnete Rolle gespielt, Ornamente und Farbgebung sind einer klaren Linienführung und dem Betonbrutalismus gewichen. Der Ansatz ist zwar nachvollziehbar, mittlerweile gibt es in der Branche allerdings mehr und mehr Plädoyers für eine Rückbesinnung auf die Ästhetik.

Ästhetik für mehr Lebensqualität

Der Architekturphilosoph Christian Illies ist einer von mehreren Stimmen, die die Banalität der Fertig- und Reihenhäuser kritisiert. Für ihn gehört Schönheit „zu den elementaren Grundbedürfnissen des Menschen“ und ist mit planbaren Massenanfertigungen nach heutigem Stand nicht zu erreichen. Dabei ist es vor allem die Wiederholung immer gleicher Formen und baulicher Klischees, die diese Häuser unästhetisch machen.

Ästhetik trägt allerdings zur Lebensqualität bei, weil Menschen zutiefst visuell sind und sich in einer Umgebung am wohlsten fühlen, in der Raum und Form aufeinander abgestimmt sind und bestimmten Kriterien unterliegen. Darüber hinaus steht Architektur immer im Kontext mit ihrer Umgebung, und je harmonischer das Gesamtbild ist, umso ästhetischer. Umgekehrt gilt auch, dass man mit Architektur die Wahrnehmung seiner übrigen Umgebung beeinflussen kann.

Ästhetik und Nachhaltigkeit

Für Illies ist der Aspekt der Ästhetik auch eng gekoppelt mit Nachhaltigkeit: Je schöner etwas ist, umso erhaltenswerter ist es und umso umsichtiger gehen wir von vornherein damit um. Wir tun uns schwer etwas, das als schön empfunden wird, abzureißen und neu zu bauen. Das sieht bei nackten Betonbauten anders aus.

Ähnlich sehen es auch die Berliner Architekten Matthias Sauerbruch und Louisa Hutton. Laut ihnen ist Architektur immer auch Ausdruck der jeweiligen Zeitströme, Themen und Probleme der jeweiligen Zeit. Dass sich Architektur dem Thema Nachhaltigkeit stellen muss, ist demnach unbestritten – aber eben nicht nur durch technische Faktoren. Überzeugt das Gebäude durch eine ästhetische Gestaltung und fügt es sich in den Gesamtkontext sein, wird es automatisch lange genutzt und erhalten werden. Demnach ist ein Haus, das nur auf Funktion ausgerichtet ist, wenig brauchbar, sobald diese Funktion weg fällt. Werte und Kategorien neu zu denken und Leidenschaft zu wecken sollten daher neue Ansprüche von Architektur sein.

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