Diese Situation kennen viele Architekten und Ingenieure zur Genüge: Sie erbringen umfangreiche Planungsleistungen, doch dann beendet der Bauherr die Zusammenarbeit. Und weigert sich zu zahlen, da es sich doch „nur“ um Akquiseleistungen gehandelt habe. Wann endet die Werbephase und beginnt die honorarpflichtige Planung?
Mit dieser Frage haben sich schon viele Gerichte befasst, denn bei Ingenieur- und Architektenleistungen ist „die Schwelle zwischen Akquisition und Beauftragung nicht oder nur schwer objektiv festzumachen“ (OLG Düsseldorf, 5.6.2018). Grundsätzlich endet die honorarfreie Akquise erst dann, wenn beide Parteien nach außen zeigen, sich vertraglich binden zu wollen. Dies kann durch eine schriftliche wie mündliche Vereinbarung erfolgen oder auch durch schlüssiges („konkludentes“) Verhalten. In jedem Falle endet eine akquisitorische Tätigkeit, wenn die Parteien sich auf eine Vergütung einigen.
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Honorarpflichtige Planungsleistungen
Ob es zu einem Vertragsschluss gekommen ist, hängt von den Umständen des jeweiligen Einzelfalls ab. Zu beweisen hat dies der Auftragnehmer, der sein Honorar einklagt. Indizien für einen Auftrag sind laut AKNW unter anderen, wenn der Bauherr
- dem Architekten umfangreiche Änderungswünsche zum Vorentwurf mitteilt,
- die Pläne einer Bauvoranfrage, eines Bauantrag oder eines Antrags auf denkmalrechtliche Genehmigung unterzeichnet,
- dem Architekten eine Vollmacht für die erforderlichen Verhandlungen mit Behörden erteilt,
- die überlassenen Pläne verwendet oder an Dritte weitergibt, etwa an eine Bank im Zuge von Kreditverhandlungen, an Grundstücksnachbarn für die erforderliche Zustimmung oder an Bauunternehmer zur Angebotsabgabe,
- dem Planer gegenüber erklärt, er solle „loslegen“ (OLG München, 18.11.2013),
- Abschlagszahlungen leistet.
Verwertet ein Auftraggeber die vom Ingenieur oder Architekten erstellten Pläne, so signalisiert er, dass er sich an dessen Leistungen rechtlich binden will. Er kann dann nicht mehr behaupten, von einer unentgeltlichen Akquiseleistung ausgegangen zu sein.
Auch wenn der Bauherr einen anderen Architekten beauftragt und dessen Planung offensichtlich auf der eigenen Entwurfsplanung aufbaut, hat man Anspruch auf Vergütung oder zumindest urheberrechtlichen Schadenersatz. Dies nachzuweisen gelingt meist nur, wenn der eigene Entwurf planerische Besonderheiten aufweist und keine „typische Standardlösung“ darstellt.
Umfang des Auftrags zu beweisen
Gelingt es dem Fachplaner oder Architekten, einen Auftrag nachzuweisen, umfasst dieser selten sämtliche Leistungsphasen. Stattdessen hängt der Umfang vom Einzelfall ab. Soll die Architektin beispielsweise eine Baugenehmigung einholen, gilt dies in der Regel als Auftrag für die Leistungsphasen 1 bis 4. Erteilt der Bauherr einen Planungsauftrag, reicht dieser meist bis zur LPH 5.
Landet der Streit ums Honorar vor Gericht, müssen Planer somit zweierlei nachweisen: dass überhaupt ein Architekten- bzw. Ingenieurvertrag geschlossen wurde und welchen Umfang dieser hat.
Akquiseleistungen von Architekten und Ingenieuren
Bei Bauvorhaben ist eine honorarfreie Akquisitionsphase allgemein üblich. In dieser erbringen Architekten oder Fachplaner Teilleistungen zunächst unentgeltlich, in der Hoffnung anschließend den Auftrag zu erhalten. Das Anfertigen erster Skizzen, Besprechungen mit dem Bauherrn und auch die Vorlage von Zweit- und Drittentwürfen gelten ohne ausdrückliche Vertragsvereinbarung oft noch als Akquiseleistungen.
Je größer der zu erwartende Auftrag ist, desto stärker wird bei Ingenieuren und Architekten ein Akquisitionsinteresse vermutet. So investierte ein Ingenieur 131 Arbeitsstunden für einen Auftrag, bei dem 91.000 € Honorar winkten – und das OLG Köln wertete sie als unentgeltliche Vorarbeiten (23.5.1997). Für Architekten und Fachplaner bedeutet dies: Sie gehen ein hohes Risiko ein, wenn sie umfangreiche Planungsleistungen ohne nachweisbaren Auftrag erbringen.
Für eine bloße Akquisetätigkeit sprechen unter anderem folgende Indizien:
- Der Architekt oder Ingenieur legt einen Entwurf auf eigene Initiative vor.
- Die Bauherrin äußert Zweifel, ob sie das Bauvorhaben wirklich durchführen will.
- Die Möglichkeit einer Bebauung ist bei der Vorplanung noch ungeklärt.
- Eine Bauvoranfrage soll zunächst die städtebauliche Situation klären.
Bei den Leistungsphasen gibt es übrigens keine grundsätzliche Beschränkung. Selbst Leistungen der LPH 3 und 4 können im Rahmen der Akquise (zunächst) unentgeltlich erbracht werden. Meist fallen Akquiseleistungen jedoch in die Leistungsphasen 1 und 2 der HOAI. Im Fall der Auftragserteilung sind üblicherweise alle Leistungen zu vergüten, selbst wenn sie teilweise bereits vor Vertragsabschluss erbracht wurden.
Praxis-Tipps
- Architekten und Fachplaner sollten möglichst frühzeitig einen schriftlichen Vertrag abschließen, der den Auftragsumfang und die Höhe des Honorars klar regelt. Scheut der Bauherr, einen umfassenden Vertrag abzuschließen, sollten sie darauf drängen, zunächst wenigstens einen Auftrag für die Vorplanung (LPH 1-2) zu unterzeichnen.
- Eine Honorarrechtsschutz-Versicherung hilft Architekten und Ingenieuren bei Honorarstreitigkeiten, die gerade in ihrer Branche häufig sind. Sie übernimmt sämtliche Gerichtskosten, wenn der Bauherr Zahlungen verweigert oder unangemessen kürzt. Aber Achtung: In der Regel sind schriftliche Vergütungsvereinbarungen Voraussetzung für den Versicherungsschutz.
- Aufschiebende Bedingungen im Vertrag (wie z.B. der Erwerb eines Grundstücks oder eine Förderzusage) sollten Ingenieure und Architekten vermeiden. Scheitert das Projekt, gehen sie sonst leer aus.
- Ist offensichtlich zu erkennen, dass der Bauherr nur kostenlose Akquisitionsleistungen erwartet, hat der Planer eine Aufklärungspflicht, wenn er nicht unentgeltlich arbeiten will.
- Wurden weitreichende Planungsleistungen erbracht, der Auftrag dann jedoch einem anderen Architekten erteilt, lohnt es sich das Projekt im Blick zu behalten. Bei offensichtlichen Gemeinsamkeiten mit dem eigenen (individuellen) Entwurf kann der Planer nachträglich eine Vergütung oder Schadenersatz einfordern.